ANEKDOTEN

Agenten

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Agenten

 

Mein Vater war Vertreter für Kosmetik. Bei uns hieß das Agent. In den 1970ern kamen Agentenfilme auf, 007 reiste durch die ganze Welt. Für mich stellten sich nun folgende Fragen:

Wieso gab es diese Filme? Was war denn am Beruf meines Vaters so wahnsinnig spannend?

Und was waren „Geheimagenten“?

Wie konnte man denn von denen überhaupt etwas kaufen, wenn das Ganze so geheim war?

Oder waren Geheimagenten einfach Hausierer? Da gab es sicher viele Erlebnisse, manche davon wahrscheinlich auch gefährlich … Fragen über Fragen!

Johanna Kandl

 

Alle Flughäfen sind einander ähnlich

Alle Flughäfen sind einander ähnlich

Alle Flughäfen sind einander ähnlich

 

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Alle Flughäfen sind einander ähnlich

 

Johanna war bereits zu Beginn der 1990er Jahre in Baku gewesen. Als ich 1995 mit ihr dorthin reiste, erzählte sie mir, dass der Flughafen etwas ungewöhnlich sei. Ich entgegnete: „Flughäfen sind einander doch alle irgendwie ähnlich – einer ein wenig größer, der andere ein wenig kleiner.“

Als wir uns um 4 Uhr morgens beim Anflug der Landebahn näherten, lagen neben der Landebahn große Betonbrocken; der Flughafen war eine Baustelle mit rostenden Kränen.

Wie ich später erfuhr, war der begonnene Umbau nach dem Ende der Sowjetunion und dem Abzug der Russen ein paar Jahre vorher nicht mehr weitergeführt worden.

Das Flughafengebäude war sehr dunkel, nur erhellt von zwei Leuchtkästen mit Marlboro- und Coca-Cola-Reklamen. Unsere Freunde Togrul und Elnur begrüßten uns.

Beim einzigen Förderband warteten wir etwa 30 Minuten auf unser Gepäck, doch das Förderband bewegte sich nicht. Schließlich kam ein Mann in gebückter Haltung auf dem Förderband durch das Loch – in jeder Hand einen unserer Koffer.

Helmut Kandl

Angst vor Grenzverkehr

Angst vor Grenzverkehr

Angst vor Grenzverkehr

 

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Angst vor Grenzverkehr

 

Einmal spazierten wir mit Viktor Korsunski, dem Zahlmeister des Passagierschiffes „Wolga“, am Donauufer in Izmail entlang, und er erzählte uns, dass er hier als Kind immer gebadet hatte. Dann zeigte er auf einen Wachtturm und sagte: „Die haben jeden Abend den Strand gerecht, damit sie sehen, wenn in der Nacht jemand bei der Donau gewesen ist.“

Das Verhältnis der Ukrainer zu Rumänien war zu dieser Zeit nicht besonders gut. Man hatte Angst, dass Menschen oder Waren illegal über die Donau gelangten.

Johanna und Helmut Kandl

Bananen

Bananen

Bananen

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Bananen

 

1986 hatte ich eine Ausstellung in der Galerie Knoll in Budapest. Meine Mutter fuhr mit dorthin. Eine junge Künstlerin, Rosa E., hatte mich eingeladen, bei ihr zu wohnen. Kurz vorher hatte ich sie bei mir in Wien beherbergt.

Mein Schwager riet meiner Mutter, Bananen mitzunehmen – es gebe keine in Budapest, die Leute seien dort sehr arm.

Das Haus, in dem Rosa wohnte, stellte sich als eine feudale Villa in einem noblen Budapester Außenbezirk heraus – Rosas Vater war Chirurg, ihre Mutter Unternehmerin, der etliche Restaurants gehörten.

Meine Mutter war ganz verwirrt und „erschlagen“ von so viel Eleganz, hatte sie doch ihr ganzes Leben in einem Arbeiterbezirk verbracht, davon 25 Jahre in einer schlecht beheizbaren Baracke.

Wir wurden großzügig bewirtet und untergebracht. Wir hatten nur ein Problem: Was tun mit den vielen Bananen? Wir aßen sie nachts heimlich im Zimmer auf und schmuggelten die Schalen in unseren Handtaschen aus dem Haus.

Johanna Kandl

Costcutter

Costcutter

Costcutter

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Costcutter

 

Als ich 1998 ein Auslandsstipendium für London hatte, konnte ich im Haus des Bundesministeriums in der Wrexham Road im East End wohnen.

Einige Jahre zuvor hatte mir ein Mitarbeiter des österreichischen Kulturinstituts in London auf die Frage, wie es dort sei, geantwortet: „Das kann ich Ihnen nicht sagen, in diese Gegend gehe in nie.“

Mir gefiel es dort gut, nur anfangs hatte ich ein paar kleine Probleme, mich auf den Alltag einzustellen, z. B. beim Einkaufen. Das Haus, das immer zwei Stipendiaten beherbergte, hatte eine kleine Gemeinschaftsküche. Das nächste Geschäft „News Agent – General Store“ war gleich an der Ecke. Es gehörte einem Pakistani und hatte außer einigen Zeitungen, drei Zigarettenmarken, Milch, Schokolade und Cola-Dosen leider wenig zu bieten.

Auch nicht weit entfernt war eine Filiale der Kette „Costcutter“. Auf den ersten Blick dachte ich: „Na ja, wie eine kleine Billa-Filiale.“ Bald bemerkte ich aber, dass es hier eigentlich nur Fertigprodukte gab: Packerlsuppen, Dosengulasch, Tiefkühlpizza, chinesische Gemüsereispfanne, Paella und Ähnliches. Ich koche jedoch gern. Nach einiger Zeit fand ich einen Tiefkühlfisch, so einen in Blöcke gepressten Seefisch, bei uns meist Dorschfilet.

Die Überraschung kam, als ich den Fisch in der Pfanne zubereitete. Nach kurzer Zeit bekam er an der Oberseite braune Streifen, als sei er auf einem Grill gelegen – offenbar war er so designt.

Später fand ich den zehn Minuten entfernten „Roman Road Market“, wo es unter anderem ein kleines Fischgeschäft gab.

Helmut Kandl

Das Feld in Floridsdorf

Das Feld in Floridsdorf

Das Feld in Floridsdorf

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Das Feld in Floridsdorf

 

Der Wiener Arbeiterbezirk Floridsdorf liegt nördlich der Donau und ist nicht gerade eine feine Wohngegend, aber mit seinen immer noch existierenden Bauernhöfen, Weingärten und Kukuruzfeldern (Maisfeldern), seinen Industrieanlagen und Gemeindebauten ein sehr interessanter Bezirk. Floridsdorf war nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1955 russische Zone.

Gegenüber unserem Farbgeschäft an der Westseite der nordsüdlich verlaufenden Brünner Straße lag ein sehr großes Getreidefeld, das mir endlos erschien.

Ich fragte meine Mutter: „Was kommt nach dem Feld?“ Sie antwortete: „Russland!“

Ich fragte meine Großmutter: „Was kommt nach dem Feld?“ Sie antwortete: „Leopoldau!“

Die Frage war: Was kommt zuerst?

Johanna Kandl

Das Hotel in Přerov

Das Hotel in Přerov

Das Hotel in Přerov

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Das Hotel in Přerov

 

1996 machten wir eine kleine Rundreise durch Mähren. In Přerov übernachteten wir in einem großen, zirka zwanzigstöckigen Hotel am Rande der Stadt.

Přerov ist im herkömmlichen Verständnis keine schöne Stadt, ist vor allem industriell geprägt und hat keinen netten mittelalterlichen Stadtkern wie so manch anderer mährische Ort.

Im Hotel schienen hauptsächlich Menschen zu wohnen, die während der Woche in Fabriken oder auf Baustellen arbeiteten. An der Rezeption des Hotels hatte man uns von dem hauseigenen Restaurant im länglichen Trakt erzählt. Als wir es am Abend aufsuchen wollten, konnten wir es nicht finden. Wir gingen hinaus und umkreisten das Gebäude nach einem Eingang suchend, aber wir fanden nichts. Johanna, die Erfahrung mit „sozialistisch-dezenter“ Beschilderung hatte, drängte darauf, es nochmals zu versuchen. Wir kamen in einen dunklen Gang und blickten uns um. Da war ein dunkler Vorhang und dahinter eine kleine versteckte Tür, die wir vorsichtig öffneten. Vor uns erstreckte sich ein riesiger, voll beleuchteter Speisesaal mit gut hundert Gästen, die meisten Männer, die aßen, tranken, rauchten und plauderten.

Johanna und Helmut Kandl

Der Geschäftsmann

Der Geschäftsmann

Der Geschäftsmann

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Der Geschäftsmann

 

Als wir Ende 1997 in Aserbaidschan waren, trafen wir einen Wiener Geschäftsmann, der teilweise in Baku lebte und dort Geschäfte abwickelte, aber auch als Förderer von Künstlern bekannt war. Wenn man den charmanten älteren Herrn nach seinen Beruf oder danach fragte, was er hier in Baku mache, bekam man nur die knappe Antwort: „Geschäfte.“

Einmal erzählte er uns, er habe auf die falsche Familie gesetzt, nämlich nicht auf die des Staatspräsidenten Aliev, und das würde sich auf seine hiesigen Geschäfte sehr ungünstig auswirken.

Für den nächsten Tag waren wir zu ihm zum Frühstück eingeladen. Als wir zu seinem Haus kamen, wurden wir von einem der vier Wachposten empfangen. Das Haus war von einer festen Mauer umgeben. Als wir den Garten betraten, sahen wir, wie gerade ein Tankfahrzeug Wasser in den Pool pumpte. Der Hausherr: „Mineralwasser, ich hab eine sehr empfindliche Haut! Das Wasser ist hier nicht gut.“

Er zeigte uns eine Reihe von Gemälden, die er von Künstlern in Baku erworben hatte, während seine Bodyguards/Diener/Sekretäre uns umkreisten. Das Frühstück wurde uns vom Hausherrn selbst serviert. Während des Frühstücks kam eine junge Frau mit leicht verschlafenem Blick aus einem Nebenzimmer.

Sie wurde uns kurz vorgestellt. „Wenn wir dann in die Stadt fahren, bringen wir sie noch schnell bei ihr zu Hause vorbei“, meinte der Hausherr, und die Dame, jetzt im Pelzmantel und in hochhackigen Schuhen, stieg mit uns in den wartenden Mercedes. Wir setzten sie unterwegs ab und fuhren zur jährlichen Weihnachts- bzw. Neujahrsfeier der Künstlervereinigung weiter. Unser Bekannter, der Geschäftsmann aus Wien, wurde begeistert begrüßt.

Selten, aber doch decken sich Erwartung und Erfahrung …

Johanna und Helmut Kandl

Der Herr Pfarrer

Der Herr Pfarrer

Der Herr Pfarrer

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Der Herr Pfarrer

 

Die kleine Gemischtwarenhandlung meiner Eltern bot eine breite Warenpalette: u. a. Diesel und Kohle, Lebensmittel, Nägel, Farben, Textilien, Futtermittel, Geschirr, Kondome, Tabakwaren und Zeitungen.

Der Ort hatte zumindest vier Respektspersonen, den Doktor, den Bürgermeister, den Oberlehrer und den Pfarrer. Der Oberlehrer wurde mit „Herr Direktor“ angesprochen, er leitete die zweiklassige Volksschule; seine ca. 15 Jahre jüngere Frau war die zweite Lehrkraft.

Der Herr Pfarrer kam täglich ins Geschäft meiner Eltern, der Pfarrhof lag gleich nebenan. Täglich nahm er das Boulevardblatt „Kronen Zeitung“ zur Hand, schlug die Seite sieben mit der Nackten auf und sagte: „So eine Schweinerei!“ Dann legte er die Zeitung wieder zurück. So ging das viele Jahre …

Helmut Kandl

Der Plan von Lviv

Der Plan von Lviv

Der Plan von Lviv

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Der Plan von Lviv

 

1990 war ich in Lviv. Am hoteleigenen Verkaufsstand sah ich einen Stadtplan. Es war damals in den osteuropäischen Ländern immer recht schwierig, Landkarten oder Pläne zu bekommen, und ich wollte ihn deshalb sofort haben. Die Dame hinter dem Pult wollte ihn mir aber nicht verkaufen. Ich fragte nach dem Preis. Sie wiederholte, dass sie ihn mir nicht geben könnte. Ich bestand weiter darauf, ihn kaufen zu wollen.

So ging das hin und her, und wir wurden immer heftiger, lauter und aggressiver. Schließlich meinte die Dame: „Wissen Sie was, ich schenke Ihnen den Plan!“

Johanna Kandl

Die Überfahrt Tulcea–Izmail

Die Überfahrt Tulcea–Izmail

Die Überfahrt Tulcea–Izmail

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Die Überfahrt Tulcea–Izmail

 

Für unser Projekt hatten wir eine Reise nach Izmail im Donaudelta vorgesehen, wo die UDS ihre Zentrale hat. Wir wollten mit der Bahn ins Donaudelta fahren und mit unseren Freunden, die den Winter im Heimathafen verbracht hatten, im Frühjahr mit der „Wolga“ bei der ersten Saisonfahrt nach Wien zurück.

Auf dem Weg nach Izmail war eine Zwischenstation in Braşov (Kronstadt) in Rumänien eingeplant, um einen Freund zu besuchen, der dort eine Schuhmanufaktur betreibt. Für die Weiterreise nach Tulcea, die rumänischen Stadt, die Izmail gegenüberliegt, hat er uns seinen Chauffeur empfohlen, der uns sagte, dass wir von Tulcea mit einer Fähre über das hier 25 km breite Delta nach Izmail kämen.

In Tulcea gab es jedoch keine Fähre. Wir erfuhren, dass sie nur im Sommer regelmäßig verkehren würde. Heute, an einem Samstagnachmittag, hätten wir sowieso keine Chance, manchmal ginge am Mittwoch eine. Der Chauffeur, der die Fahrt über selbstbewusst und gesprächig gewesen war, wurde nun ziemlich kleinlaut. Wir wussten, dass wir am anderen Ufer von unseren Freunden erwartet wurden, sie auch sicherlich für uns gekocht hatten.

Auf dem Landweg gab es nur die Möglichkeit, über eine etwa 100 km entfernte Brücke zu fahren, was aber auch nicht viel Sinn gemacht hätte, da wir dann durch Moldawien hätten fahren müssen, wofür wir kein Visum hatten.

Als wir etwas hilflos im Hafen herumgingen, sprach uns ein ungefähr 40-jähriger Mann an und machte uns das Angebot, uns noch am selben Tag mit seinem Boot, der „Egreta Mica“, um 100 US-Dollar nach Izmail zu bringen. Wir waren überrascht, aber vor allem unsicher. Es war bereits später Nachmittag, man konnte sich ausrechnen, dass wir etwas Geld bei uns hatten. Wer würde schon etwas sehen, wenn wir auf der Fahrt zwischen den vielen kleinen Inseln verschwinden würden? Der Mann bemerkte natürlich unsere Unsicherheit und sagte: „Sie brauchen keine Angst zu haben, ich bin Russe!“

Viel Wahl hatten wir nicht, und wir erklärten uns schließlich einverstanden. Es war uns nicht klar gewesen, welcher bürokratischer Apparat in Bewegung kommt, wenn ein Schiff, auch ein sehr kleines, ein Land verlässt und in einem Hafen in einem anderen Land anlegen will. In Tulcea kam eine Gruppe von einem Dutzend Menschen, um die nötigen Amtshandlungen durchzuführen. Darunter der apathisch betrunkene Hafenmeister in Uniform, sein Stellvertreter, der eigentlich alles erledigte, eine Schreibkraft, der Amtsarzt, ein Herr vom Zoll. Nach einer guten halben Stunde konnten wir ablegen. Diese Amtshandlung hatte uns etwas beruhigt, auch der Umstand, dass wir mit dem Mobiltelefon unsere Freunde in Izmail erreichten.

Die „Egreta Mica“ war ein nettes kleines Boot; wir konnten uns hinten niederlassen, und der Kapitän ging ans Steuer. Kaum hatten wir den Hafen verlassen, öffnete sich die Tür der kleinen Kajüte, und ein zweiter Mann kam heraus; er war zwar während der Amtshandlung dabei gewesen, aber dann hatten wir ihn nicht mehr gesehen. Er hatte ein ca. 40 cm langes Messer in der Hand. Unser Herz blieb fast stehen.

Er ging zu einer Schüssel, die mit einem Tuch zugedeckt war, nahm einen Fisch heraus, zerteilte ihn mit dem Messer und briet ihn. Der Fisch schmeckte sehr gut. Wir holten einen Karton mit Mozartkugeln heraus.

Die 25 km lange Fahrt durch das Donaudelta in der Dämmerung an diesem Frühlingsabend war wunderbar.

Als wir uns dem Hafen von Izmail näherten, sahen wir bereits unsere winkenden Freunde vom Schiff „Wolga“. Die Formalitäten hier waren bereits alle vorbereitet. So brachten wir sie rasch hinter uns, und es erwartete uns ein großartiges Abendessen.

Helmut Kandl

Fritz die Krawatte

Fritz die Krawatte

Fritz die Krawatte

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Fritz, die Krawatte!

 

Meine Mutter legt großen Wert auf Äußeres – auf Kleidung, Frisur, Auto etc. Auch mein Vater und ich wurden entsprechend ihren Vorstellungen hergerichtet.

Im Kleinkind- und Volksschulalter wurde ich an Sonn- und Feiertagen mit Fliege und Hut ausgestattet. Mir war das sehr unangenehm, niemand im Dorf war so gekleidet, und ich wurde oft ausgelacht. Um 1970 herum, als Mittelschüler, waren natürlich auch für mich lange Haare das wichtigste Mittel meiner Auflehnung.

Jahre später – ich wohnte nicht mehr bei meinen Eltern, war verheiratet und arbeitete in einem Büro – nutzte ich gern die Wochenenden, um bei meinen Eltern etwas Zeit auf dem Land zu verbringen. Die ganze Woche im Büro in einem Anzug, trug ich in der Freizeit lieber legere Kleidung. Einmal ging an einem Sonntagvormittag mein Schulfreund Ferdl „schön“ gekleidet für den Kirchgang mit seiner Frau an unserem Haus vorbei. Sofort stichelte meine Mutter gegen meine damalige Frau: „Schau, wie die Edith den Ferdl schön beinand hat!“

Auch mein Vater wurde ständig von ihr zurechtgewiesen: „Fritz, du hast Brösel auf dem Pullover!“ – „Fritz, deine Haare! Hast du einen Kamm mit?“ – „Fritz, deine Schuhe!“ War einmal die Krawatte verrutscht: „Fritz, die Krawatte!“

Helmut Kandl

Fritzelack

Fritzelack

Fritzelack

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Fritzelack

 

Meine Eltern hatten im Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf, Brünner Straße 165, ein Farbengeschäft „L. & E. Kandl – Farben, Lacke, Drogeriewaren und Haushaltsgeräte“. Auf den Rollbalken des Geschäfts war groß der Fritzelack gemalt, das Logo der Firma O. Fritze, eines der bekanntesten Logos der Nachkriegszeit. Der Lehrbub, der die Farbe verschüttet hat, ging in die Umgangssprache ein: „Einen Fritzelack reißen“ bedeutete und bedeutet noch immer „hinfallen“.

Erfolg und Misserfolg liegen nahe beieinander. Trotz des populären Logos verschwanden die Produkte der Firma, sodass der Fritzelack heute vor allem als Legende existiert. Das Logo selbst trägt das Scheitern schon in sich – das Missgeschick des Lehrbuben, der die Farben verschüttet.

In den späten 1960er und frühen 1970er Jahren wurden die Supermärkte zu einer übermächtigen Konkurrenz, die altmodische und unzeitgemäße Geschäfte wie das unsere zunehmend unmöglich machte. Unser Farbgeschäft hat dann auch den Fritzelack gerissen.

Mein Verhältnis zum Baumarktbesitzer Essl ist also nicht ungetrübt. Über die Kunst bin ich dann mit dem Ehepaar Essl in Kontakt gekommen.

DEN ÖKONOMISCHEN VERÄNDERUNGEN ANGEPASST VERKAUFE ICH FARBE ALS WEITERVERARBEITETES PRODUKT!

1997 kauft das Ehepaar Essl Bilder von mir. Danach gehe ich zum ersten Mal in einen Baumarkt und kaufe eine Holzplatte.

Johanna Kandl

Hotel Izmail

Hotel Izmail

Hotel Izmail

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Hotel Izmail

 

Um ein Visum für die Ukraine zu bekommen, mussten wir eine Hotelreservierung vorweisen können. Über ein Reisebüro in Odessa konnten wir schließlich nach einigen Schwierigkeiten ein Zimmer im Hotel Izmail in Izmail buchen.

Als wir beim Hotel ankamen, sahen wir davor einige teure Autos, beim Eingang standen zwei Herren im Anzug. Im relativ großen Foyer war ein Empfangsschalter, der jedoch geschlossen war. In einer Ecke des Raumes saßen drei Damen, die wir nach unseren Zimmern fragten. Sie wirkten etwas verwundert. Nach einer Weile ging eine weg, um sich zu erkundigen. Sie kam zurück, es wurde diskutiert, es wurde telefoniert, schließlich erfuhren wir, dass wir noch kurz warten müssten.

Nach etwa dreißig Minuten ging plötzlich der Rollbalken des Schalters hoch, und wir wurden von einer älteren Dame sehr formell nach unseren Wünschen gefragt. Zuerst wusste sie jedoch nichts von unserer Reservierung und der damit verbundenen Vorausbezahlung. Nach einigen Telefonaten fragte sie dann, ob wir ein normales oder ein Luxuszimmer wünschten. Als wir nach dem Unterschied fragten, überlegte sie eine Weile und sagte dann, dass die Luxuszimmer Balkons hätten. Wir entschieden uns dafür.

Das Zimmer war groß, aber schäbig. Das Hotel war ein Stundenhotel.

Unseren Freunden von der „Wolga“ war das alles sehr peinlich, obwohl sie ja nichts dafür konnten. Sie luden uns ein, die nächsten Tage auf dem Schiff zu nächtigen, was wir gerne annahmen.

Johanna und Helmut Kandl

Inkasso

Inkasso

Inkasso

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Inkasso

 

Herta, eine Verwandte meiner Mutter, war fast täglich bei uns. Sie war ein nicht ganz einfacher Fall: geistig behindert, schwerhörig und nicht bereit, ein Hörgerät zu verwenden, redete sie extrem laut. Außerdem roch sie recht streng.

Sie hatte in der Familie eine ganz wichtige Funktion: Sie war das Inkassobüro. Meine Mutter schickte sie zu hartnäckigen Schuldnern zum Kassieren. An ihr prallten sämtliche Argumente säumiger Zahler (Sie hätten kein Bargeld im Haus, die Banken seien nicht geöffnet, sie seien gerade nicht flüssig, aber am Montag würden sie sicher alles einzahlen …) ab. Herta, nur von dem einen Gedanken besessen, alles richtig zu machen und keinesfalls ohne den ihr genannten Betrag zurückzukommen, war für diese heiklen Missionen die ideale Besetzung. Sie war immer erfolgreich, besser als je ein Anwalt oder ein Inkassobüro es hätten sein können.

Johanna Kandl

Katastrophen und andere Unterhaltungen

Katastrophen und andere Unterhaltungen

Katastrophen und andere Unterhaltungen

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Katastrophen und andere Unterhaltungen

 

Am Abend saß Familie Kandl gern beisammen.

Man musizierte, nicht nur auf dem Klavier; auch Deckel, Gläser, Töpfe, Waschrumpeln und Glocken kamen zum Einsatz. Tante Hermine hatte eine spezielle Funktion: Sie bediente den Paschaffen, einen Plüschaffen, dessen Tschinellen mit Batterien betrieben wurden.

Bevorzugt wurden kleine Dramen, Szenen mit Verkleidungen aufgeführt.

Das Lieblingsstück war „Titanic“.

Der Kapitän (mein Bruder Leo): „Wir müssen das blaue Band erreichen und schneller fahren. Offizier, legen Sie Steine auf die Ventile.“

Erster Offizier (ich): „Aja, Sir, Steine auf die Ventile! –“

Programmgemäß ging die ganze Familie jeden Tag mit Mann und Maus unter.

Katastrophen waren beliebt, weil sie gut von Schmutz, Enge und Kälte ablenken und Arm und Reich gleichermaßen treffen.

Eines Abends las meine Mutter vor: „Der Vulkan bricht aus, glühendes Magma fällt in den Pazifik, die Erde bebt, der Himmel verdunkelt sich, ein Grollen aus den Tiefen der Erde …“

In diesem Moment hörte man Lärm aus der Küche: Die Bodenpasta, die mein Vater kochte, war explodiert.

Johanna Kandl

Mafia in Belgrad

Mafia in Belgrad

Mafia in Belgrad

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Mafia in Belgrad

 

1999, kurz nach der Bombardierung durch die NATO, besuchten wir zwei Freundinnen in Belgrad. Wir wohnten bei Daria im Stadtteil Zemun, nahe der Donau. Sie erzählte uns von den Bombardierungen und dass gleich nebenan die „Mafia“ wohnte, was wir ihr nicht wirklich glaubten.

Am nächsten Tag fuhren wir zu Jelica nach Surčin, einem Vorort von Belgrad in der Nähe des Flughafens. Sie erzählte uns von den Bombardierungen, die die Gegend verseucht hätten, und dass viele Menschen krank würden. Später sprach sie davon, dass gleich nebenan die „Mafia“ wohnte, angeblich dort auch Leute gefangen hielt. Wir hielten ihre Erzählungen weitgehend für Gerüchte.

Ein Jahr später konnten wir in einer österreichischen Zeitschrift lesen, dass in Serbien von der NATO viele Bomben geworfen worden waren, die radioaktive Verseuchungen verursacht hatten, und zwar vor allem in der Gegend des Belgrader Flughafens. Dort seien viele Menschen gesundheitlich geschädigt.

Als 2003 Zoran Djindjić, der Premier, ermordet wurde, konnte man tags darauf in den Zeitungen lesen, dass die Banden von Zemun und Surčin die Hauptverdächtigen dieses Anschlags seien.

Johanna und Helmut Kandl

Mecklenburg’sche Geschichten

Mecklenburg’sche Geschichten

Mecklenburg’sche Geschichten

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Mecklenburg’sche Geschichten

 

Die Wiedervereinigung Deutschlands und die damit verbundene Änderung des Wirtschaftsystems haben die Menschen in vielen Orten der ehemaligen DDR oft sehr verunsichert – manchmal durchaus nachvollziehbar.

Wir waren zu einem partizipatorischen Projekt in einen netten kleinen Ort in Mecklenburg eingeladen.

In dem Ort gab es keine Einkaufsmöglichkeit mehr, der Supermarkt war vor Jahren geschlossen worden, und das Gebäude verfiel schön langsam. Als wir einen Dorfbewohner darauf ansprachen, begann dieser sofort zu klagen.

Er erzählte uns, dass eine Gruppe von Personen des Ortes seit einiger Zeit den Laden in Eigeninitiative wieder betreiben wollten, um die Versorgung im Ort wiederherzustellen. Die Treuhand Ost verhindere dies jedoch, und sonst habe sich halt noch niemand gefunden. Er glaube, dass die Treuhandgesellschaft Interesse an einer langsamen Abwicklung habe, damit die Verantwortlichen ihre gut bezahlten Jobs länger behalten könnten.

Das Gestüt (ein ehemaliger Vorzeigebetrieb der sportlich engagierten DDR) sei bald nach der Wende privatisiert worden, da hätten einige bestimmte Interessen gehabt. Da seien wertvolle Pferde sehr billig verkauft und am selben Tag um ein Vielfaches weiterverkauft worden.

Der Nachbarort des Dorfes hatte nur 30 oder 40 Häuser, und zu DDR-Zeiten hatte es eine kleine Poststelle gegeben. Die Zustellung der Post wie den Dienst im Postamt hatte eine Frau aus dem Ort besorgt. Nun war dieses Postamt seit langem geschlossen. Für die Zustellung der Briefpost kam nun täglich ein Postbeamter aus der etwa zehn Kilometer entfernten Kleinstadt. Die Paketpost lieferten seit einigen Jahren private Zusteller, die nun separat von der Briefpost auch diesen kleinen Ort regelmäßig anfahren mussten. Wenn jedoch jemand aus dem Dorf einen Brief oder ein Paket versenden wollte, musste er zum Postamt in die erwähnte Kleinstadt fahren.

Die Dame, die seinerzeit die kleine Poststelle betreut hatte, war seit Jahren arbeitslos und lebte von der staatlichen Unterstützung.

In diesem Ort konnten wir in einem schönen ehemaligen Bauernhof wohnen. Die Eltern des Besitzers hatten den Hof noch selbst betrieben.

Da die Felder zu DDR-Zeiten von einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft bestellt worden waren, war der Sohn nicht mehr Bauer, sondern Elektriker geworden. Nach der Wende war die LPG natürlich aufgelöst worden, und die Familie hatte ihren Besitz zurückbekommen.

Für die Fortsetzung der Landwirtschaft im Ort hatten sich nicht viele gefunden, da die zuletzt in der LPG Beschäftigen nicht das Kapital zur Anschaffung eines Betriebes (Felder, Betriebsstätte, Maschinen etc.) gehabt hatten. Größere Investoren hatten sich für diesen kleinen entlegenen Ort auch nicht gefunden.

Der Sohn stellte den Großteil der Felder kostenlos einem Schäfer zur Verfügung, der auf dem ehemaligen Ackerland nun seine Tiere weiden ließ.

Da sich der Elektriker verpflichtet fühlte, des Erbe seines Vaters nicht verwahrlosen zu lassen, hatte er auf den anderen Grundstücken Rasen angebaut und Sträucher gepflanzt. Seine Freizeit (Wochenenden und Urlaube) benötigte er, das alles in Schuss zu halten.

Auch die Landwirtschaftsingenieurin, die die LPG geleitet hatte, war arbeitslos geworden. Sie betreute nun das Kind ihrer Tochter, weil es keine Kinderbetreuungsstätten mehr gab. Sie sagte: „Das soll nun eventuell anders werden. Die Regierung hat jetzt vor der Wahl eine Idee gehabt, wie sie junge Paare wieder zu mehr Kindern motivieren kann. Sie will im ganzen Land mehr Kinderbetreuungsstätten einrichten.“

Helmut & Johanna Kandl

Mein Vater sagte oft

Mein Vater sagte oft

Mein Vater sagte oft

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Mein Vater sagte oft

 

Mein Vater sagte oft: „Ich sage nicht SO und nicht SO, sonst heißt es dann, ich hätte SO oder SO gesagt.“

Manchmal auch: „Viel denken macht Kopfweh.“

Oder: „Das Denken überlass den Pferden, die haben größere Köpfe!“

Helmut Kandl

Mein Vater

Mein Vater

Mein Vater

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Mein Vater

 

Mein Vater wurde 1925 in Laa an der Thaya geboren, einer kleinen Stadt, die 1230 als Bollwerk gegen die böhmisch-mährischen Landesherren angelegt worden war. Von 1945 bis 1989 lag Laa am Eisernen Vorhang.

Mein Vater war nie wirklich vom Weinviertel weggekommen; abgesehen von seinen Jahren im Krieg, aus dem er als 19-jähriger SSler mit Kopfschuss, schwer traumatisiert in die russische Besatzungszone zurückkehrte. Er arbeitete beinahe sein ganzes Leben in Laa, wo die meisten seiner Verwandten und Bekannten lebten und auch arbeiteten.

Fremden und besonders den Nachbarn jenseits der Grenze misstraute er. Als nach 1989 der Grenzverkehr sehr schnell zunahm, war ihm das gar nicht recht.

Obwohl sich dadurch die Region wirtschaftlich rasch belebte, blieb er, wie viele andere Menschen in dieser Gegend, skeptisch bis ängstlich. Einmal sagte er: „Acht Meter hätte ich die Mauer gebaut!“

Ich glaube, es war 1999, als ein tschechischer LKW vor dem Haus meiner Eltern parkte. Der Fahrer saß im Führerhaus und machte offensichtlich Pause. Meinen Vater irritierte das Fahrzeug sehr. Nach etwa 15 Minuten rief er die Gendarmerie an und verlangte die Entfernung des Fahrzeugs.

Als der Gendarm kam, bat er den LKW-Fahrer, ein Stück nach vorn zu fahren. Dann sagte er zu meinem Vater: „Herr Schäffer, der Fahrer saß ja im Fahrzeug, den hätten Sie doch auch ersuchen können, dass er ein Stück weiterfährt, damit Sie aus Ihrer Einfahrt herausfahren können.“ Darauf mein Vater: „Ich will doch gar nicht weg!“

Ein noch peinlicherer Vorfall ereignete sich einmal in Ameis. Ein Bauer fuhr vom Feld zurück ins Dorf. Es war bereits finster geworden, als er unweit des Ortes, hinter dem Bahndamm, ein geparktes Auto entdeckte, das er nicht kannte – und das er verdächtig fand. Er fuhr zu meinem Vater und erzählte ihm davon. Mein Vater nahm sein Jagdgewehr und fuhr mit dem Bauern los, um sich das Auto anzuschauen. Es stand noch immer am selben Platz, mit den verdächtigen Personen drinnen. Mit dem Gewehr in der Hand stellte mein Vater die Insassen zur Rede: Es war eine meinem Vater und dem Bauern gut bekannte Frau aus dem Ort mit ihrem Liebhaber.

Helmut Kandl

Nach Galatz

Nach Galatz

Nach Galatz

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Nach Galatz

 

Wegen der zerstörten Donaubrücken in Jugoslawien konnte natürlich auch die „Wolga“ nicht fahren, und so mussten wir bei der Rückfahrt aus der Ukraine unsere Reiseroute kurzfristig ändern. Wir konnten entweder ein Schiff zurück nach Tulcea mieten oder über Moldawien fahren, wofür wir kein Visum hatten.

Unsere ukrainischen Freunde aus Izmail sagten uns jedoch, dass sie das schon regeln und uns durch Moldawien nach Galatz in Rumänien zu einem großen Bahnhof bringen würden, wo es gute Zugverbindungen gebe. An der ukrainisch-moldawischen Grenze kamen wir zuerst zu einem Zöllner, mit dem geredet wurde und der angeblich der Schwager eines unserer Reisegefährten war. Dann kamen wir zum Duty-free-Shop. Wir mussten aus dem Auto steigen, durch den Duty-free-Shop gehen und bei einem anderen Ausgang zu einem bestimmten Auto gehen, mit dem die Reise weiterging.

An der ukrainisch-rumänischen Grenze wurde wir von unserem Freund aufgefordert, dem Fahrer 10 US-Dollar zu geben, der damit ins Zollhaus ging. Nach einer Weile kam er zurück, und wir fuhren, ohne nochmals aufgehalten worden zu sein, zum Bahnhof in Galatz, wo wir rasch einen passenden Zug fanden.

Johanna und Helmut Kandl

Nescafé Straße

Nescafé Straße

Nescafé Straße

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Nescafé-Straße

 

Georgien oder Grusien (auf Georgisch Sakartvelo), ein Staat mit 4,4 Mio. Einwohnern (davon 3,6 Mio. Georgiern), wurde 1991 unabhängig. Seitdem gibt es immer wieder Probleme mit separatistischen Bewegungen: In Südossetien, Abchasien und Adscharien gab es Bürgerkrieg. Die Machthaber der Separatisten suchen die Nähe zu Russland; die Regierung in Tiflis hingegen versucht, das Nationalbewusstsein zu fördern.

Wie in vielen exsozialistischen Ländern wurden nach dem Kommunismus und nach dem Zerfall der Sowjetunion Namen von Straßen und Plätzen geändert. Selbstverständlich wurden die neuen Straßenschilder nur mehr in der Landessprache Georgisch angefertigt – für Fremde keine einfache Situation! Die georgische Sprache und ihre Schriftzeichen sind so gut wie ausschließlich für Georgier verständlich. Die Sprache ist zudem mit keiner anderen verwandt, wurde uns gesagt, nur mit dem Baskischen gäbe es leichte Ähnlichkeiten.

Die neuen Straßennamen sind vielen Menschen unbekannt, sie kennen nur die alten Bezeichnungen.

Gemeinsam mit den georgischen Schriftzeichen ist auf Straßenschildern das Logo von Nescafé so abgedruckt, wie wir es kennen. Da das Georgische für uns ja nicht entzifferbar ist, hatte man den Eindruck, man würde von der Nescafé-Straße in die Nescafé-Straße gehen und dann auf den Nescafé-Platz kommen, usw.

Ein Bekannter, der kürzlich in Tiflis war, sagte uns, dass habe sich geändert: Nun sei eine Mobiltelefonfirma Sponsor.

Helmut & Johanna Kandl

Njet I ne budjet

Njet I ne budjet

Njet I ne budjet

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Njet I ne budjet

 

Folgende Geschichte hat uns ein Freund erzählt, dessen Vater Diplomat in der Sowjetunion war. Auf einem sehr langen sowjetischen Inlandsflug fragte er höflich die Stewardess, ob es etwas zu trinken geben würde.

Die Stewardess antwortete: „Njet I ne budjet!“ (Nein, gibt es nicht, und wird es auch nicht geben! – Mit dem Unterton: Und ich werde auch alles tun, um es zu verhindern.)

Johanna und Helmut Kandl

Rumänisches Visum

Rumänisches Visum

Rumänisches Visum

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Rumänisches Visum

 

Als ich 1993 mit der Bahn zu Malerwochen in Baia Mare nach Rumänien fuhr, wurde ich an der ungarisch-rumänischen Grenze von einem Zöllner nach meinem Visum gefragt: Ohne Visum müsse ich jetzt eines lösen und 100 D-Mark zahlen.

Ich witterte gleich Betrug – man hörte ja unglaubliche Geschichten – und weigerte mich. Nach einiger Zeit meinte der etwas ratlos wirkende Zöllner, dass ich dann aussteigen müsse. Ich blieb sitzen. Er versuchte, 100 D-Mark zu kassieren. Ich rückte nichts heraus.

Die anderen Zuginsassen „solidarisierten“ sich mit mir und ermutigten mich, einfach sitzen zu bleiben, nicht auszusteigen und nicht zu bezahlen. Der nun völlig ratlose Zöllner, der an einer Eskalation der Situation offensichtlich kein Interesse hatte, fand sind damit ab und verließ den Waggon.

Ähnlich verlief mein nächster Besuch in Rumänien: Der Zöllner versuchte, zu kassieren, ich weigerte mich, und nach einer Weile gab der Zöllner nach …

Ein Künstlerkollege, den ich dann in Baia Mare traf, erzählte mir, er hätte um 100 D-Mark ein Visum an der Grenze gelöst. Ich lachte ihn aus.

Später erfuhr ich, dass ich tatsächlich ein Visum benötigt hätte – unter Umständen an der Grenze zu lösen, um 100 D-Mark.

Johanna Kandl

Überraschung

Überraschung

Überraschung

ANEKDOTEN

 

Überraschung

 

Berlin ist ein Ort mit einem hohen Anteil an gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Als heterosexuelles Ehepaar mit gleichem Familiennamen hat man manchmal das Gefühl, einer Minderheit anzugehören. Schon das Schildchen „KANDL“ an der Glocke wirkt seltsam nackt.

Unlängst buche ich am Ostbahnhof eine Nachtfahrt für zwei Personen. Als ich die Karten beim Hinausgehen kontrolliere, sehe ich, dass darauf ein Damenabteil vermerkt ist. Ich gehe zurück und erkläre, dass ich mit meinem Mann fahren werde. Darauf die Dame hinter dem Schalter ganz erstaunt: „Ah, Sie reisen mit einem Mann?!“

Johanna Kandl

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

A LONGER REMARK

A LONGER REMARK

A LONGER REMARK

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

A LONGER REMARK, 1982 (Schmid / Schaeffer)

Al Schmid: Vocals
John Adames: Drums
Garth Vogan: Bass
David McMorrow: Keybords, Sythesizer
Peter Follet: Electric Guitars
Jack Grunsky: Acoustic Guitar, Back-Up Vocals
Charity Brown: Back-Up Vocals

https://www.youtube.com/watch?v=W30jDT_eylg

Don’t go aigainst nature,
believe me it takes revenge
but don’t let it get either
just dare it
you’ve lost the fight when you resign
liefe gives nothing, but still be thankfull

See all creatures as planned by nature
And thik of their loneliness
In the fight of life, unsure an brutal

Do not feel better than frogs and insekts,
because you are the imperfection in nature
you have t trust to be able to live with the injust
the senseless and the knowledge of your worth
don’t judge you have no right to
cause all your thoughts are chaotic and emperfect
be patient – bat don’t forget
patient does not mean wait for your fate.

let people play their role – you also have your mask
let them cry, let them laugh, avoid the extremes
you can think also having feelings
life gives nothing, but still be thankful
you’ve lost the fight when you resign.

 

 

LÄNGERE BEMERKUNG

 

sei nicht wider die natur
glaub’ mir es rächt sich
aber lass dich auch nicht von ihr unterkriegen
just trotze ihr
endgültig wird ein kampf erst durch resignation verloren
das leben schenkt dir nichts, dennoch solltes du dankbar sein

erkenne alle lebewesen als naturgewollt an
und bedenke ihre einsamkeit im existenzkampf
in dem sie unsicher und grausam sind

fühle dich nicht erhaben über frösche und insekten
denn du bist die unvollkommenheit in der schöpfung
der du vertrauen musst ungerechtigkeit, unverständliches
und die erkenntnis deiner bedeutung, die gleich nichts ist
verkraften zu können
laß den menschen ihre rolle spielen

wie du deine maske trägst
laß sie lachen und weinen
vermeide jedoch selbst extreme
gefühle schließen verstand nicht aus

 

richte nie, du hast keine befähigung dazu
denn all deine gedanken sind wirr und unvollständig

 

und sei geduldig
doch geduldig-sein heißt nicht
untätig auf sein schicksal warten

Text: Helmut Schäffer (Kandl)
Übersetzung ins Englische: Jack Grunsky

AN COCCINELLA SEPTEMPUNCTATE

AN COCCINELLA SEPTEMPUNCTATE

AN COCCINELLA SEPTEMPUNCTATE

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

AN COCCINELLA SEPTEMPUNCTATE

 

oh, madonna mit dem mona-lisa-blick
warum trägst du nie blue-jeans
sondern umhüllst dich mit schleiern
hinter denen du einsam und traurig bist
verleugne nicht deine art
und deine zarten fühler
jeder ist süchtig nach glück
auch du beneidest den schwalbenschwanz
den zitronenfalter und den wolsmilchschwärmer
kenntnisse allein machen nicht froh
zieh dein nackthemdchen an
und stell’ dich auf die bühne
dann wird sich der nebel heben
der rauch wird abziehen    und
sonnenschein wird dein gesicht beleuchten

wer an märchen und an märchenprinzen glaubt
dessen unschuldiges hirn wird vergewaltigt werden

Helmut Kandl

AUSSCHNITTE EINER SINUSKURVE

AUSSCHNITTE EINER SINUSKURVE

AUSSCHNITTE EINER SINUSKURVE

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

Ausschnitte einer Sinuskurve

 

I.
festgefahrene ideen ziehen mit ständig wechselnder geschwindigkeit
närrische kreise in meinem kopf

flugs und schwubs – ein frühling ist schnell vorbei
die hitze treibt mir schweißperlen auf die stirn
die temperatur wechselt rasch
auch die glückssträhne pulsiert stark
und man macht sich leitsätze wie:
NUR BERECHNEND KANN MAN BESTEHEN

II.
viele haben noch immer rosa vorstellungen von helden
jetzt – im zeitalter der spottenden genies
im zeitalter der zerstörenden engel

die rokkoko-epoche meines lebens ist längst vorbei
illusionsende ist angesagt
doch einige haben noch nicht begriffen
auch der herzbub hat 2 seiten
und stapft in sarierspuren

III.
kleinbübchens zuckerbauten wurden zerstört
zerbombt mit falschheiten
sein hirn stand in trümmern
und schrie nach revolution
schließlich riß der hund die leine
tränen trüben klares wasser und salzen es

wie den stengel einer blume
will der wind mich brechen    doch
wie ein hund das wasser
schüttle ich steine ab

IV.
die ewig scheiternden versuche
die vorgegebenen grenzen zu durchbrechen
sind schuld an der zunehmenden verhornung meiner haut
ersatz macht nicht glücklich

im nachtkästchenlichterschein erscheint die welt in paradiesischen gewändern
die wahrheit aber kann aus dem schlaf ein fröschlein wecken
die magie und sonstige zauberei können nicht weiterhelfen
denn das klima ist zu rauh zum träumen
und die kalte luft läßt dich frieren

V.
der kleine eskimo steht auf glatteis
während andere einen goldfisch an der leine
flußabwärts de schwarzen meer zutreiben

ich beobachte das spiel des rauches
und martere nächtelang müde zellen
scheinbar einiger unnützer worte wegen
der volle aschenbecher – ein schlachtfeld
so wie dieses papier

für mich brennt höchstens irgendwo eine sparflamme
doch wer dank erwartet
ist dank nicht wert
ich bereue nichts
noch habe ich meine 10 finger
meine augen und ohren
und wenn’s so weitergeht bald eine elefantenhaut

VI.
DIE SCHMETTERLINGE BENEIDE ICH
IHRER LEICHTIGKEIT WEGEN
mit der sie umherflattern

VII.
verzeiht mir’s  götter – ich bin ein spötter
hab’ die füße im feuer
den löwen im genick
und vor den augen den regenbogen

der teufel drückt mich an sein herz
wie dunkel wird mir der tag
kein blaues wasser, hoffnungsschimmernd
nur
wellen, kläglich, wie hunde wimmernd

einsam, verstaubt und trocken
in socken
steh’ ich auf verlorenem stolperfeld
bin kein großer redner – bloß ein großsprecher
ein nörgler zu schutz
aus angst erkannt zu werden
bin spötter
bin kläger
bin angeklagter

VIII.
selbst wenn man mich suchen würde
fände man mich nicht

Helmut Kandl

COLD AFTERNOON

COLD AFTERNOON

COLD AFTERNOON

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

COLD AFTERNOON

 

see told me
she couldn’t love me anymore
she didn’t know why
but every kiss I gave
was one to much.
sex – she couldn’t dig it
she said it – exactly she
and  I can’t dig that.

paper on the table
covered with dust
still unwritten
no whisky’s good
it’s could around here
fire is cold
gives no warmth

a worm’s in my hard
just waiting still he’s asleep.
maybe I can write here
I’ve time –
nobody rushes me
it’s the last letter to write

i’ll tune in the radio
brew some coffee
read a good book
then look for a girl
and It’ll get warmer around here.

 

 

NACHMITTAGS

 

sie sagte mit
dass sie mich nicht mehr liebe
sie wisse nicht warum
aber jeder kuß
wäre ihr unangenehm
und sex sei ihr im moment ein greuel
sagte sie – gerade sie
ich kann’s nicht verstehen

papier liegt auf dem tisch
es ist bereits mit staub bedeckt
und noch immer unbeschrieben
mir schmeckt kein whisky
und es ist kalt im zimmer
das feuer ist ausgegangen
keine wärme mehr

ein wurm sitzt in meinem herzen
ich muss warten bis er einschläft
vielleicht kann ich ihre dann schreiben
ich hab’ zeit
es ist ja der letzte brief an sie
und niemand drängt mich

ich werde das radio anstellen
kaffee kochen
ein gutes buch lesen
später werde ich mir wieder ein mädchen suchen
und es wird auch wieder wärmer werden.

Text: Helmut Schäffer (Kandl)
Übersetzung ins Englische: Jack Grunsky

DAY AND NIGHT

DAY AND NIGHT

DAY AND NIGHT

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

DAY AND NIGHT, 1982 (Schmid / Schaeffer)

Al Schmid: Vocals
John Adames: Drums
Garth Vogan: Bass
David McMorrow: Keybords, Sythesizer
Peter Follet: Electric Guitars
Jack Grunsky: Acoustic Guitar, Back-Up Vocals
Charity Brown: Back-Up Vocals

https://youtu.be/nGz_UwcuKps

 

I need the morning
as  a harbour before I fall
I step out of the night
a little bit  more mature the as I entered
black dreams give me questions
wake me up
night destroys the dreams of the day

Storms of liefe are howling
through the dusky night
you are in fear and you’re afraid of the end
at daytime sun smiles
I trust her with delight
and also the sweet dreams
blinding my eyes.

Day and night lie
I torture the night
and love the day
it’s getting more and more like winter
shine sun, shine sun
destroy the darkness
killing my heart.

Night is a prison
day is a soap-bubble
bursting asunder on evening
day and night are two different liefes
a morning after endured night
is like a spring after a hard winter-time.

 

 

TAG UND NACHT

 

Ich brauch’ jeden morgen
als rettung vor dem verfall
ich trete aus jeder nacht
reifer als ich sie betrat
dunkle träume bringen mir zweifel
wecken mich auf
die nacht zerstört die türme des tages

lebensstürme heulen
durch die düstere nacht
man angst und befürchtet das ende
am tag lächelt die sonne
ich glaub’ an sie mit wonne
und an die süßen träume
die mein auge blenden

tag und nacht lügen
ich durchleide die nacht
und genieße den tag
es wird immer mehr winter
scheine sonne, scheine
vernichte die dunkelheit
die mein herz tötet

die nacht ist ein gefängnis
der tag ist eine seifenblase
die abends zerplatzt
tag und nacht sind zweierlei leben
ein morgen nach einer durchlittenen nacht
ist wie ein frühling
nach einem strengen winter

Text: Helmut Schäffer (Kandl)
Übersetzung ins Englische: Jack Grunsky

EMPFINDSAME FRAGMENTE

EMPFINDSAME FRAGMENTE

EMPFINDSAME FRAGMENTE

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

EMPFINDSAME FRAGMENTE

 

das augenzwinkernde porträt
an der wand
gibt mir die hand
ich glaub’
ich verlier den verstand

+++

das licht geht aus
es ist finster
jetzt kann ich nach herzenslust nasenboren

+++

ich brauche schuhe
sagte der tausenfüßer
und verkaufte sein haus

+++

das selbstmördergedicht

von tiefen gräben umgeben
nur verrückt beglückt
im leben schweben
hält man nicht
AUS
.

+++

liebesgedicht

du bist verrückt
ich bin entzückt

flammen entflammen

+++

wo schwitzt du heute nacht mein schatz

+++

als begrüßung ein wangengrübchenlächeln#

+++

...und nach jedem satz – fliegenscheiße.

Helmut Kandl

 

FEMME FATALE

FEMME FATALE

FEMME FATALE

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

FEMME FATALE

 

deine begabung ist schönheit
dein lächeln ein sonnenaufgang
laß mich in dir reisen
überdruck ablassen

dein liebesverhältnisse sind seifenblasen des alltags
ich weiß, du lebst von schmutziger liebe
von angewandter liebeskunst
von sophisticatio virginum
doch
bei sturm läuft ein schiff jeden hafen an
in der not frißt der teufel fliegen
und wenn nötig
reiß ich blümchen von der mauer

einsamkeit macht egoistisch

du willst dich verstellen
aber ich sah den regen deiner augen
du hast wohl angst den letzten zug zu verpassen
du bringst kein einziges wort
über deine schamlippen
so sehr schämst du dich

im großen topf sind wir alle gleich

Helmut Kandl

GALAABEND DER SCHWARZEN GÖTTIN

GALAABEND DER SCHWARZEN GÖTTIN

GALAABEND DER SCHWARZEN GÖTTIN

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

GALAABEND DER SCHWARZEN GÖTTIN

 

die schwarze göttin tanzt nackt
im garten der träume
zu betörenden klängen
(in the garden of dreams)
ihre hände schlängeln sich wie 2 schlangen
durch den raum   und
die bewegungen ihres körpers
gleichen dem treiben von wellen

ein gast nimmt betont lässig
ein schluck von seinem whisky
und spielt zunächst „unbeeindruckt“
doch später klopft sein zeigefinger
den takt an der bettkante

in solchen minuten schütteln sich erinnerung
und vergessen die hände
die töne ziehen sich grausam in die länge
und der geist strebt nur noch nach dem
magischen schwarzen dreieck
(diesem haarigen fleck)
um im rythmus mitzuschwingen   und letztlich
im trommelwirbel zu verschmelzen

nach dem befreienden lärm der trommel
stille und leere

Helmut Kandl

REISE UND RÜCKKEHR

REISE UND RÜCKKEHR

REISE UND RÜCKKEHR

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

REISE UND RÜCKKEHR

 

... und ging in die fremde
bekleidet mit nem hemde
ins reich des regebogens
der vermischten farben

dort, wo schweine und ziegen flügel haben
dort, wo der stille schweigen folgt

land der unsterbliche seifenblasen
land der singenden engel
und der lachenden hunde

jenes reich ist nicht von dieser welt

es war sommer in jenem august

spaß in die witzkiste
zapfenstreich für träume

gewitterwolken stehen am schimmeligen himmel
dunkel und mächtig

Helmut Kandl

UND DAS WARTEN AUF DAS AUFKLATSCHEN DER SPUCKE

UND DAS WARTEN AUF DAS AUFKLATSCHEN DER SPUCKE

UND DAS WARTEN AUF DAS AUFKLATSCHEN DER SPUCKE

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

...UND DAS WARTEN AUF DAS AUFKLATSCHEN DER SPUCKE

 

den fall der spucke in die tiefe eine zeremonie nennen
ihn mit andacht verfolgen
so als ob ein priester den kelch gegen den himmel höbe
den ablauf mit wachsender spannung beobachten
und eine befriedigung beim aufprall der spucke spüren
solchen gefühlen erliegen ist keine schwäche

Helmut Kandl

W A N T E D

W A N T E D

W A N T E D

GEDICHTE UND LIEDTEXTE (1970er-Jahre)

 

W A N T E D

 

I.
im morgentau – im rasen der welt
wagemutige werden gesucht
w a n t e d
all jene, die sich zu taten aufraffen
denn wir sind die kraftlosen
die mutlosen
die schuldigen
die den verfall herbeiführen
den aussichtlosen verfall
mit dem alles zu stinken beginnt

wir stubenhocker sollten uns erheben
und den abenteurern zujubeln
die die welt beim schopf packen
die frische blut in die abgestandene luft sprühen
wenn die welt zu strauß-walzern stirbt
und sich das leben im büro abzuwickeln droht

 

II.
zur mittagssonne – auf der drehkugel
verrückte werden gesucht
w a n t e d
all jene, die eintönige normen brechen
denn wir sind die unnützen
die nutzlosen
die ängstlichen
die der eintönigkeit dienen
der sinnlosen eintönigkeit
in der jedes leben erstickt
wir muffel sollten uns erheben
und den narren zujubeln
die den tod der dinge töten
die frisches blut in die abgestandene luft sprühen
wenn die welt zu strauß-walzern stirbt
die kunst nicht mehr empfunden
sondern ausschließlich verstanden werden muß

 

III.
in der nacht – auf dem schläfrigen planeten
harlekine werden gesucht
w a n t e d
all jene, die ein lachen provozieren
denn wir sind die verbitterten
die leblosen
die mumien
die in traurigkeit wühlen
in der stupfsinnigen teraurigkeit
in der jeglicher lebenswille erstickt
wir trauerweiden sollten uns erheben
und den clowns zujubeln
die den tod der dinge töten
die frisches blut in die abgestandene luft sprühen
wenn die welt zu strauß-walzern stirbt
und lachen nur mehr als ausdruck von schadenfreude existiert

Helmut Kandl

KOCHREZEPTE

Altes Brot (Brotsuppe, Semmelkren)

Altes Brot (Brotsuppe, Semmelkren)

Altes Brot (Brotsuppe, Semmelkren)

KOCHREZEPTE

 

ALTES BROT

 

Brotsuppe

Gewürfeltes Brot in Fett anbraten, kleingeschnittene Zwiebel kurz mitbraten, dann mit klarer Suppe ca. ¼ Stunde köcheln lassen.

Verschiedene Kräuter (möglich ist z. B. auch junge Brennessel) und Milch dazugeben, mit Salz, Pfeffer, Harissa und Muskatnuss würzen und mit Purierstab mixen. Abschließend ev. mit Schnittlauch betreuen.

 

Semmelkren

Eingeweichte und ausgedrückte alte Semmeln oder Weißbrot mit etwas Rindsuppe erhitzen, Sauerrahm und geriebenen Kren beimengen, mit Salz und Pfeffer würzen und leicht pürieren.

 

Carpaccios (Mairübchen-Carpaccio, Steckrüben-Carpaccio)

Carpaccios (Mairübchen-Carpaccio, Steckrüben-Carpaccio)

Carpaccios (Mairübchen-Carpaccio, Steckrüben-Carpaccio)

KOCHREZEPTE

 

CARPACCIOS

 

Mairübchen-Carpaccio

Geschälte Mairübchen und Radieschen in feine Scheiben hobeln, mit Frühlingszwiebel-Ringen und Petersilie bestreuen.
Marinade: Rapsöl, Balsamico, Zitronensaft, Honigsenf, Salz und Pfeffer.
Parmesanspäne darüberhobeln.

 

Steckrüben-Carpaccio

Steckrübe (Kohlrübe, Dotsche) nicht zu weich kochen, etwas auskühlen lassen und dann hobeln, salzen, pfeffern und mit Kürbiskernöl beträufeln.

Coq au vin

Coq au vin

Coq au vin

KOCHREZEPTE

 

Coq au vin

Gewürfelten Speck in Olivenöl anbraten, geschnittenen Zwiebel dazugeben und glasig dünsten. Getrennt davon gesalzene und gepfefferte Hähnchenteile (am besten vom Suppenhuhn) goldbraun anbraten (ev. mit Cognac löschen). Speck und Zwiebel, Petersilie, Thymian, Lorbeerblatt und Champignons zum Huhn geben, mit Rotwein übergießen und garen lassen. Dazu Baguette.

Fenchel-Zwiebel

Fenchel-Zwiebel

Fenchel-Zwiebel

KOCHREZEPTE

 

Fenchel-Zwiebel

Fenchelknolle und Zwiebel (Verhältnis: 3 : 2) fein schneiden, in Olivenöl weichdünsten, öfters umrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Fisolen in Sojasauce

Fisolen in Sojasauce

Fisolen in Sojasauce

KOCHREZEPTE

 

Fisolen in Sojasauce

Gehackte Zwiebel, Knoblauch, Harissa und Curry in Öl 3 Min. anbraten, dann mit grünen Fisolen (Bohnen) weitere 5 Min. braten. Mit Gemüsesuppe und Sojasauce ca. 15 Min. kochen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Gurkensalat

Gurkensalat

Gurkensalat

KOCHREZEPTE

 

Gurkensalat

Geschälte Salatgurke in Scheiben hobeln, Salz und zerdrückten Knoblauch beimengen und ziehen lassen. Später Gurken ausdrücken und mit Kürbiskernöl, Balsamico, Salz, Pfeffer, etwas edelsüßem Paprika (und ev. Dill) marinieren.

Gurkensuppen (Zupa ogórkowa, Tarator)

Gurkensuppen (Zupa ogórkowa, Tarator)

Gurkensuppen (Zupa ogórkowa, Tarator)

KOCHREZEPTE

 

GURKENSUPPEN

 

Zupa ogórkowa (polnische Gurkensuppe)

Gewürfelte Zwiebel in Butter glasig werden lassen, mit Wasser ablöschen und geselchte Schweinsrippchen (oder Rindfleisch) und Suppenwürfel dazugeben, 15 Min. köcheln lassen (sich ev. bildenden Schaum entfernen). Erdäpfel und Karotten hinzufügen und Gemüse weichkochen (ca. ½ Stunde). Nun geraspelte Salzgurken dazugeben und 10 bis 15 Min. mitkochen. Obers (und ev. Dill) einrühren und mit Pfeffer und Gurkenwasser abschmecken. Dazu dunkles Brot (ev. mit Butter und Schnittlauch).

 

Tarator (bulgarische Gurkensuppe)

Geraspelte Gurken, Joghurt, Wasser, Dill, Salz, Pfeffer, Knoblauch, edelsüßen Paprika, Olivenöl, Zitronensaft vermischen und 2 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. Mit Brot und geriebenen Walnüssen servieren.

Majoranfleisch

Majoranfleisch

Majoranfleisch

KOCHREZEPTE

 

Majoranfleisch

Geschnetzeltes Rindfleisch salzen, pfeffern und anbraten. Halb so viel gehackte Zwiebel glasig dünsten, dann beides mit Majoran würzen und mit Rindsuppe aufgießen. Ca. 70 Min. weichdünsten. Am Schluss etwas Flüssigkeit, Sauerrahm und Mehl verrühren und beimengen. Dazu Teigwaren.

Pürees (Pastinaken-P., Prokkoli-P., Sellerie-Erdäpfel-Süßkartoffel-P., Zucchini-Erdäpfel-P.)

Pürees (Pastinaken-P., Prokkoli-P., Sellerie-Erdäpfel-Süßkartoffel-P., Zucchini-Erdäpfel-P.)

Pürees (Pastinaken-P., Prokkoli-P., Sellerie-Erdäpfel-Süßkartoffel-P., Zucchini-Erdäpfel-P.)

KOCHREZEPTE

 

GEMÜSEPÜREE

 

Püree kann man mit vielerlei Gemüse, nicht zuletzt Wurzelgemüsen, zubereiten.

 

Sellerie-Erdäpfel-Süßkartoffel-Püree

Gewürfelte Sellerie, mehlige Erdäpfel und Süßkartoffeln kochen. Danach das Wasser abgießen, Butter, Salz, Pfeffer und geriebene Muskatnuss zum Gemüse geben und pürieren.

 

Zucchini-Erdäpfel-Püree

Gewürfelte Zucchini und mehlige Erdäpfel (2 : 1) sowie gehackte Zwiebel, Knoblauch und Lauch in nicht zu viel Wasser mit Salz und Olivenöl kochen. Danach pürieren und mit Pfeffer und Muskatnuss würzen.

 

Pastinaken-Püree

Gewürfelte und gekochte Pastinaken pürieren und Butter, Schlagobers, Salz, Zitronensaft sowie geriebene Muskatnuss beimengen.

 

Brokkoli-Püree

Brokkoli stückeln (Stiel schälen) und in Salzwasser kochen. Dann Wasser abgießen, Frischkäse und ev. etwas Sauerrahm zum Brokkoli geben, mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss und Harissa würzen und alles pürieren.

Rindsrouladen Wiener Art

Rindsrouladen Wiener Art

Rindsrouladen Wiener Art

KOCHREZEPTE

 

Rindsrouladen Wiener Art

Ausgeklopfte Rindsschnitzel salzen, pfeffern, Innenseite mit Senf und Sardellenpaste bestreichen. Fein gehackten Selchspeck in Öl anlaufen lassen. Gehackte Zwiebel, Karotten, Gurkerl, Kapern, Petersilie und Semmelbrösel zum Selchspeck geben und ziehen lassen, bis die Zwiebel glasig sind. Diese Masse auf dem Fleisch verteilen, die Schnitzel einrollen und mit Garn binden. Rouladen in Öl anbraten, mit Rindsuppe aufgießen, zudecken und langsam dünsten. Am Schluss etwas Flüssigkeit, Sauerrahm und Mehl verrühren und beimengen. Dazu Teigwaren.

Schmorgurken

Schmorgurken

Schmorgurken

KOCHREZEPTE

 

Schmorgurken

Gurken und Zwiebel schälen, die großen Gurkenkerne entfernen, beides in grobe Würfel schneiden und in einem Topf mit Fett anschmoren lassen. Nach einiger Zeit Paradeiserstücke und ev. ein wenig Wasser (oder Gemüsesuppe) hinzufügen und dünsten. Zum Schluss Sauerrahm oder Schmand und grob geschnittenen Dill einrühren. Mit Salz, Pfeffer und edelsüßem Paprika abschmecken. Dazu Reis oder Salzkartoffeln, auch frisches Weißbrot oder Baguette.

Wer auf Fleisch nicht verzichten will: Faschierte Laibchen (Buletten, Köfte, Cevapcici) oder Bratwürste (von der Thüringer Rostbratwurst bis zur Merguez) schmecken sehr gut dazu, ebenso gebratener Fisch.

Stefaniebraten

Stefaniebraten

Stefaniebraten

KOCHREZEPTE

 

Stefaniebraten

Pro ½ kg gemischtes Faschiertes (Verhältnis Rind/Schwein 2 : 1) 1 Ei, 1 kleine gehackte glasig gedünstete Zwiebel und eine aufgeweichte alte Semmel zum Fleisch geben und vermengen, mit Salz, Pfeffer, Kümmel, Senf, Harissa würzen.

Masse auf Alufolie ausbreiten, mit dünnen Speckscheiben, Karotten- und Gewürzgurkenstreifen und hart gekochten Eiern belegen und einrollen. Anschließend in eine eingefettete und mit Semmelbröseln bestreute Bratform (Bräter) geben und im Rohr bei ca. 200 Grad braten. Nach ¼ Stunde etwas warmes Wasser zugießen. Beilagen: Püree (z. B. Sellerie-Erdäpfel-Süßkartoffel-Püree) und Salat. Schmeckt auch kalt mit Brot und Senf wunderbar.

Weinviertler Kürbisgulasch

Weinviertler Kürbisgulasch

Weinviertler Kürbisgulasch

KOCHREZEPTE

 

Weinviertler Kürbisgulasch

Kürbis und Zwiebel (5 : 2) würfeln, dann paprizierte Zwiebel in Rapsöl anrösten und mit Grünem Veltliner löschen, mit Rindsuppe aufgießen, ¼ Stunde kochen und anschließend pürieren. Kürbis (ev. etwas Paradeismark) und zerdrückten Knoblauch, Salz, Pfeffer und Gewürze (Majoran, Basilikum, Oregano und Rosmarin) dazugeben und mit Rindsuppe aufgießen und dünsten. Mit Brot servieren.