Johanna Kandl
2002 Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig
… Einzelausstellung von Johanna Kandl. Ihre Arbeiten, die im Anschluss an Reisen nach Jugoslawien, Aserbaidschan, Russland, Polen, Rumänien, Georgien oder Tschechien entstanden sind, thematisieren unterschiedliche politische, ökonomische, soziale und kulturelle Perspektiven von West auf Ost und umgekehrt.
1994 begann Johanna Kandl mit einem Projekt, in dem sie sich mit dem Abzug der Soldaten aus der russischen (ehemals sowjetischen) Garnison in Wünsdorf befasste. Kandl, selbst in einem von den Sowjets besetzten Wiener Stadtteil aufgewachsen, erinnert sich an die Vorurteile gegenüber „den Russen“, denen sie als Kind ausgesetzt war, obwohl die Besatzer schon längst abgezogen waren. In ihrem Wünsdorf-Projekt, das Malerei, Fotografie und Installationen umfasst, interessierte sie sich für das Leben in einer Enklave und den Moment, in dem diese Menschen auf andere treffen. Mit ihren Arbeiten hat sie sowohl die Öffnung der Russen hin zu den Deutschen als auch ihre Wiederansiedlung nordwestlich und westlich von Moskau begleitet. Während die Fotos die Ereignisse schnappschussartig dokumentieren, werden sie über die Notizen und Malereien Schritt für Schritt aufgearbeitet.
In einem gemeinsam mit ihrem Mann, Helmut Kandl, durchgeführten Projekt konzentrierte sich Johanna Kandl auf das Grenzgebiet zwischen Tschechien und Österreich. Über Jahrhunderte kulturell eng verbunden, waren Laa und Znaim in den letzten vierzig Jahren hermetisch getrennt. Die Modernisierungen der Nachkriegszeit wurden deshalb verschieden erlebt: Auf der einen Seite der Grenze lernte man Englisch, auf der anderen Russisch, die Österreicher_innen fuhren bevorzugt nach Italien in Urlaub, die Tschech_innen nach Bulgarien oder Rumänien. Die Kandls setzten bei diesem Projekt bei den Urlaubsfotos der Bewohner_innen an, um einerseits eine Definition des Fremden und Exotischen zu untersuchen und andererseits eine Kommunikation zwischen den Menschen vor Ort herzustellen. Wünsche/Träume
Johanna Kandl begibt sich in ihren unterschiedlichen Projekten gezielt in Situationen, die ihr fremd sind bzw. in denen sie ebenfalls als Fremde wahrgenommen wird, und sie sucht Gespräche mit den Personen, die sie zunächst nicht kennt. „Für mich ist es wichtig, etwas über Leute zu erfahren, die nicht zu meiner Gesellschaftsklasse gehören und nicht meine Ansichten teilen. Dieses Woanders-Hineinschauen sehe ich als meinen künstlerischen Auftrag“ (J. Kandl). In ihren Malereien und den mit Helmut Kandl durchgeführten Fotoprojekten widmet sich Johanna Kandl dem Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen, Ansichten, aber auch Ökonomien. Sie entwickelt dabei – auf einer Bild- und Textebene – verschiedene Szenarien von gesellschaftlichem Zusammenleben und stellt dabei Fragen nach der Rolle des Künstlers/der Künstlerin und seiner/ihrer Stellung in der Gesellschaft.
Die Ausstellung wird von Barbara Steiner kuratiert. (Pressemitteilung GFZK, 2002)